4 Tage auf dem Frachtschiff nach Iquitos

Iquitos ist die größte Stadt der Welt, die nicht über eine Straße angeschlossen ist, sie liegt mitten im Dschungel am Amazonas. Man kann sie nur mit dem Schiff oder Flugzeug erreichen.
Als ich das erste Mal einen Beitrag zur Reise mit dem Schiff gelesen habe, habe ich das nicht in Erwägung gezogen. 3 Tage auf einem Frachtschiff, schlafen in der Hängematte, essen an Board ohne Möglichkeit zwischendrin auszusteigen und einzukaufen...
Ich fand die Vorstellung mega cool und abenteuerlich, aber für uns mit Kind wäre das doch nichts, und vegetarisches Essen gibt's sicher auch nicht...
Ich hatte eigentlich schon damit abgeschlossen aber die Idee blieb in Hinterkopf und irgendwann dachte ich mir "Warum eigentlich nicht?"
Eine echte Reise - nicht nur in ein Flugzeug steigen, die ganze Strecke überfliegen und kurze Zeit später wieder aussteigen.
Durch die Landschaft schippern, abseits von großen Städten, Dörfern oder überhaupt einer Zivilisation.
Einfach mal auf die Bremse treten, 3 Tage lang nichts besonderes machen außer lesen, Hörbuch hören, Zeichnen, ein bisschen Schreiben und Spielen. Je nachdem worauf man gerade Lust hat (oder nach was das Töchterchen verlangt).
Ja, ich hatte da richtig Bock drauf!
Also sind wir von Tarapoto aus mit dem Collectivo von Tourismo Selva nach Yurimaguas gefahren (20 Soles pro Person (ca. 5 Euro) für 3h Fahrt, fährt los wenn's voll ist), von wo aus die Schiffe ablegen.
Wie das genau ablaufen würde und wo wir überhaupt hinmussten wusste ich nicht, aber würde sich schon irgendwie finden. Hat es immer.
In Tarapoto am Busterminal angekommen warten auch schon Mototaxi-Fahrer.
"Al Barco?" ("Zum Schiff?")
Yep.
Habt ihr schon Hängematten? Um auf dem Schiff zu schlafen?
Nein, die brauchen wir noch.
Kein Problem, ich bringe euch erst zum Markt (mercado), dort könnt ihr Hängematten, Tupperboxen, Besteck, Wasser und Obst kaufen.
Perfekt.
Also erst zum Markt, Hängematten und Seile zum Aufhängen besorgt und 3 Kanister mit Wasser. Obst. Kekse.
Tupperdosen und Reisebesteck hatten wir sowieso dabei.
Was noch? Achja, besser mal Toilettenpapier mitnehmen. Feuchttücher - davon kann man nicht genug haben (super für Katzenwäsche und Geschirr sauber machen).
Wird schon passen.
Der Mototaxi-Fahrer hat auf unser Gepäck aufgepasst und uns im Anschluss mit Sack und Pack zum Hafen gebracht. Hier standen LKWs rum, viele Leute luden Kisten und Sonstiges auf die Schiffe. Es war wuselig und ziemlich unübersichtlich.
Unserer Fahrer half uns, unser Gepäck und die Einkäufe auf das Schiff zu bringen. Zusammen mit einem anderen hängte er unsere Hängematten professionell auf.
Natürlich gab's ein Trinkgeld dafür. Er bekommt auch sicherlich eine Provision dafür, uns zu dem Hängemattenhändler gebracht zu haben. Möglicherweise haben wir auch etwas zu viel gezahlt und hätten es günstiger bekommen wenn wir auf eigene Faust losgegangen wären. Aber wir mussten uns quasi um nichts kümmern und hatten keinen Stress mit unserem Gepäck. Worth it.
An Board hatte man uns gesagt, das Schiff würde um 18 Uhr ablegen, Tickets für die Fahrt werden später vom Kapitän an Board verkauft. Wir hätten zwischen Hängematte im offenen Raum mit den anderen (150 Soles pro Person, ca. 37,50 Euro) und einer Kabine (250 Soles pro Person, ca. 62,50 Euro) wählen können. Die Kabinen wären winzig gewesen und hatten keinen Platz zum Aufhängen der Matten gehabt, sondern nur eine Art Gestell wo man ziemlich hart drauf liegen würde. Wir hatten sowieso geplant im offenen Teil mit den Hängematten zu schlafen aber spätestens jetzt hätten wir die Kabinenoption ganz zu den Akten gelegt, das lohnt sich nicht.
Erst mal umschauen - es gab Waschbecken, Toiletten und Duschen an Bord, aber noch rustikaler als ich es mir vorgestellt hatte. Die Toiletten wurden glaube ich noch nie geputzt. Das konnte ja heiter werden. Einer der Moment, in denen ich froh war, dass meine Tochter noch Windeln benutzt, auf die Toiletten hätte ich sie nicht schicken wollen. So langsam fragte ich mich, ob die Schifffahrt eine gute Idee war...










Es war noch etwas Zeit um in den Ort zu fahren und etwas zu essen. Und ein Sixpack kaltes Bier zu kaufen.
Zurück auf dem Schiff haben wir mit unseren Hängemattennachbarn angestoßen. Die beiden kamen auch aus Deutschland und wir hatten sie 2 Tage vorher in Kuelap getroffen und wussten dass wir auf dem gleichen Schiff nach Iquitos fahren würden.
18 Uhr kam und ging, aber das Schiff fuhr nicht los.
Irgendwann war Schlafenszeit und wir legten uns in unsere Hängematten. Es war eine unruhige Nacht - es war schwül, das Licht an Board brannte, unten quiekten Schweine, die auch mit dem Schiff nach Iquitos verfrachtet wurden. Später in der Nacht wurde das obere Deck über uns auch noch beladen sodass es ständig knallte. Hühner wurden oben in einem provisorischen Gehege untergebracht und immer wenn sie über den Boden rannten hörte man das durch die dünne Blechdecke. Auf dem Schiff neben uns wurde gebohrt und geflext (er hat zwar um ca. 20/21 Uhr aufgehört aber morgens um 5 Uhr oder so wieder angefangen). Andere Mitreisende schauten Filme auf ihren Handys mit voller Lautstärke (das ist so ein Peruaner-Ding).
Nachts kamen auch noch weitere Gäste. Unter anderem eine Familie mit kleinem Baby, die eine komplette Federkernmatratze mitgebracht haben, um darauf zu schlafen.
Unsere Tochter hat übrigens bei mir mit in der Hängematte geschlafen (ebenso wie mein Tagesrucksack mit den Wertsachen), was so semi bequem war, aber wir kamen zurecht. Sie hat in jedem Fall gut geschlafen und sich von der Geräuschkulisse nicht stören lassen.










Am nächsten Morgen lagen wir immer noch im Hafen. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass wir nachts losfahren weil ich gelesen hatte, dass die Schiffe nachts um 3 losfahren, aber das hat sich hier nicht bestätigt.
Ok, wie sieht's mit Frühstück aus? An Board bekommt man 3 Mahlzeiten, die sind im Preis inbegriffen. Aber eigentlich erst wenn das Schiff losgefahren ist. Wir haben dann trotzdem etwas bekommen, ich bin mir ziemlich sicher, dass es wegen unserer Tochter war.
Das Essen an Board war gar nicht schlecht, wenn man davon absieht, dass es nicht besonders abwechslungsreich und immer mit Fleisch ist. Ich hatte mich darauf eingestellt und das Fleischstück immer aussortiert und meinem Mann gegeben. Normalerweise würde ich das nicht essen aber man nimmt halt was man kriegt, ist ja nicht so als gäbe es Optionen. Es gab viel Reis, Kartoffeln und Suppe mit Hühnchen, ich konnte gut von den Beilagen leben und wir hatten ja auch etwas Obst und Snacks dabei.










Um 08:40 Uhr sind wir dann endlich gestartet - und jetzt fühlte es sich gut an.
Die langsame Flussfahrt war sehr idyllisch. Wenig abwechslungsreich - links und rechts am Ufer sieht man Sandbänke, Wiesen und Wald.
Hin und wieder ein Dorf, an dem das Boot anlegte und Waren ablieferte. Manchmal wurden Kisten verladen, manchmal kamen ein paar Leute an Board und haben sich vom oberen Deck ein paar Hühner geholt und an den Füßen rausgetragen.
Das ein oder andere Mal haben wir Flussdelfine gesehen. Bei einem Zwischenstopp an einem der Orte badeten Kinder im Fluss, direkt daneben tummelten sich die Delfine.
Wir haben wunderschöne Sonnenuntergänge gesehen und der Sternenhimmel so mitten im Nichts ist unvergleichlich.
Ja - idyllisch triffts ganz gut.
Unsere Tochter hat die meiste Zeit mit anderen Kindern gespielt und hatte besonders viel Freude an einer Katze mit ihren drei Jungen, die ein anderer Fahrgast dabei hatte und die immer mal wieder aus ihrem Karton rauskamen und über Deck rannten.
Die Nächte unterwegs waren übrigens besser als die erste Nacht im Hafen. Handyfilme mit voller Lautstärke gab's zwar immer noch aber zumindest wurde es später ruhiger. Zumindest bis ca. 4 Uhr als die Crew anfing das Frühstück vorzubereiten, Mixer angeworfen wurden, lautstarke Gespräche anfingen und Boxen mit Musik aufgedreht wurden.
Meine Tochter hat's auch wieder nicht gestört, zum Glück hat sie einen festen Schlaf.


























Da wir in der Trockenzeit da waren - zudem in einer besonders extremen - hatte der Fluss sehr wenig Wasser, sodass das Schiff in den ersten 2 Nächten anlegen musste und nicht weiterfahren konnte (normalerweise fährt es einfach durch). Dadurch hat die Flussfahrt statt der üblichen 3 Tage für uns 4 Tage gedauert. Wir sind letztendlich in Nauta ausgestiegen statt bis nach Iquitos durchzufahren. Nauta ist der erste Ort, der über eine Straße mit Iquitos verbunden ist, sodass wir von dort mit dem Taxi fahren konnten (ca. 1,5h, 15 Soles pro Person (ca. 3,75 Euro)). Das Schiff hätte von dort noch mindestens 6h gebraucht, sodass wir hier etwas abgekürzt haben.
Ich bin froh, dass wir die Reise mit dem Schiff gemacht haben, es war ein tolles Erlebnis und auf jeden Fall ein kleines Abenteuer, an das wir uns noch lange erinnern werden.
Was man wissen sollte bevor man fährt:
Es gibt keinen festen Zeitplan. Das Schiff fährt nicht immer zur angegebenen Zeit los und die Fahrt dauert auch gerne mal länger als die angegebenen 3 Tage. Es lohnt sich also ausreichend Vorräte mitzunehmen und die Reiseplanung danach flexibel zu gestalten. Wir hatten die Unterkunft in Iquitos nicht vorgebucht weil wir nicht wussten wann wir da sein würden.
Es gibt 3 Mahlzeiten an Board, hierfür braucht man eine Tupperdose und Besteck und was zum Saubermachen.
Es gibt Toiletten, aber kein Toilettenpapier.
Außerdem würde ich Mülltüten einpacken. Es gibt zwar einen großen Mülleimer, der auch regelmäßig geleert wird - allerdings geht der Inhalt einfach über Board. Wir haben daher unseren Müll (Windeln, Plastikabfall usw.) in einer extra Tüte gesammelt und mit von Board genommen weil wir nicht wollten, dass das im Fluss landet.
Nachts wird es irgendwann ein wenig kühler, ich war froh, dass ich meinen Sarong dabei hatte, den ich als Decke für meine Tochter und mich nehmen konnte.
Außerdem ist es sinnvoll ein Mückennetz mitzubringen (kann man möglicherweise auch auf dem Markt kaufen). Wir hatten ein großes dabei und haben es über beide Hängematten drüber gespannt. Nicht unbedingt wegen der Mücken (dagegen hat es nicht so gut geholfen weil es an den Enden und unten offen war), sondern mehr für die Spinnen und großen Käfer die abends an der Decke rumliefen und sich abseilten. Die wollten wir nicht in der Hängematte haben, da war ich froh über die Netzschicht oben.
Es gibt zwei Steckdosen an Deck, die abends/nachts Strom führen. Eine Powerbank lohnt sich also. Empfang gibt es übrigens nicht, jedenfalls nicht mit Claro oder Entel (ich vermute in dem Landesteil gibt es andere Anbieter mit denen man dann auch Empfang hat, weil die Leute an Board teilweise telefoniert haben. Ich weiß aber nicht welcher Anbieter das ist.)